Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen veröffentlicht
23.08.2016 Fachbereich Teilhabe von Menschen mit Behinderungen Menschen mit Behinderungen Recht

Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen veröffentlicht

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat den Abschlussbericht der Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen veröffentlicht. Gegenstand der Untersuchung sind die Wahlrechtsausschlüsse des § 13 Nr. 2 u. 3 Bundeswahlgesetz (Betreuung in allen Angelegenheiten; Unterbringung nach § 63 StGB). Von den Ausschlusstatbeständen sind in Deutschland demnach 84.550 Menschen betroffen. Davon entfallen rund 4% (3.330) auf § 13 Nr. 3 BWahlG und ca. 96% auf § 13 Nr. 2 BWahlG. Bezüglich § 13 Nr. 2 BWahlG konstatiert die Studie erhebliche Differenzen in der regionalen Verteilung: kommen in Bremen auf 100.000 volljährige Bürgerinnen und Bürger 7,8 Wahlrechtsausschlüsse sind es in Nordrhein-Westfalen 165,6 und in Bayern gar 203,8. Die Studie entwirft im Ergebnis vier Handlungsoptionen:
  1. die vollständige Streichung des § 13 Nr. 2 BWahlG,
  2. eine eigenständige Prüfung der Entscheidungsfähigkeit in Wahlangelegenheiten,
  3. die Integration der Prüfung der wahlspezifischen Entscheidungsfähigkeit in das betreuungsrechtliche Verfahren und
  4. die Änderung der gerichtlichen Mitteilungspflicht an das Wählerverzeichnis gem. § 309 Abs. 1 FamFG in eine Ermessensentscheidung.
Die Verfasser der Studie favorisieren letztere Möglichkeit. Die Untersuchung unterstellt dabei, dass die wahlspezifische Entscheidungsfähigkeit im betreuungsrechtlichen Verfahren geprüft und beurteilt wird. Im klinisch-psychologischen Teil des Abschlussberichts wird hingegen festgestellt, dass eine Betreuung in allen Angelegenheiten "nicht unbedingt gleich bedeutend ist mit einer grundlegenden Unfähigkeit zum Treffen komplexer rationaler Entscheidungen." Einer Loslösung der Prüfung der wahlrechtlichen Entscheidungsfähigkeit vom Betreuungsverfahren wird mit dem Argument entgegen getreten, dass unklar bliebe, "wie ein spezifischer Wahlreifeprüfungskatalog inhaltlich aussehen sollte." Nicht näher erläutert wird hingegen auf welcher Grundlage das Betreuungsgericht die "Wahlreife" prüfen soll. Unberücksichtigt bleibt, dass es Aufgabe des Betreuungsgerichts im Rahmen des Bestellungsverfahrens ist, die Voraussetzungen des § 1896 BGB zu prüfen. Liegen die Voraussetzung für eine umfassende Betreuung vor, so richtet das Gericht diese unabhängig von der Frage der Wahlfähigkeit ein. So findet zwar eine richterliche Einzelfallprüfung statt, allerdings prüft diese nicht die wahlspezifische Entscheidungsfähigkeit und hat dies auch gar nicht zum Auftrag. Auf Landesebene wurde die Frage der Verfassungsmäßigkeit entsprechender landeswahlrechtlicher Regelungen zumindest in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein jüngst anders bewertet, wie aktuelle Gesetzesänderungen zeigen. Es bleibt abzuwarten, wie auf Ebene des Bundesgesetzgebers weiter verfahren wird.

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Dateien:
FB470_Studie-zum-aktiven-und-passiven-Wahlrecht_01.pdf
PM_Badura_Wahlrechtsausschluss-auf-dem-Prüfstand_01.pdf
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Quelle: Paritätischer Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V.

Verantwortlich:
Klaus Lerch, Referent Teilhabe von Menschen mit Behinderungen