Verschwörungsideologien und Desinformation

Kein Platz für Verschwörungsideologien und Desinformation: Vielfalt, Offenheit und Toleranz schützen!

Ob Klimawandel, Globalisierung und Migration, Pandemien oder die Rechte von Frauen und LGBTIQ – es sind die großen Fragen und Entwicklungen unserer Zeit, die Verschwörungsideologien auf den Plan rufen. Verschwörungsideologien sind kein neues Phänomen. Zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften haben Menschen an Verschwörungen und an geheime, bösartige Mächte, die im Verborgenen agieren, geglaubt. Wenn Krisen und gesellschaftliche Umbrüche Menschen verunsichern, haben auch Verschwörungsideologien Hochkonjunktur. Studien zufolge zeigt rund ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland eine grundsätzliche Bereitschaft, an Verschwörungen zu glauben. Eine neue Herausforderung unserer Zeit ist die pandemische Verbreitung von Verschwörungserzählungen und Desinformation im Internet und den Sozialen Medien.

Unsere Welt verändert sich schnell. Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Konsens entsteht nicht automatisch. Wir müssen ihn immer wieder neu herstellen. Krisenzeiten stellen das bisher Gewesene radikal in Frage und verlangen uns im besonderen Maße die Bereitschaft für Veränderung und konstruktiven Dialog ab. Dabei müssen wir Unsicherheit, Uneindeutigkeit und Konflikte aushalten können und gleichzeitig bereit bleiben, miteinander zu reden und solidarisch zu handeln. Für unsere Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen heißt für uns, Argumente auszutauschen und abzuwägen, Werte und Grundrechte miteinander in Balance zu bringen und in moralisch-ethischen Konflikten zu Entscheidungen zu kommen.

Protest-Bewegungen, die durch demokratie- und menschenfeindliche Verschwörungsideologien geeint werden, sind dazu nicht in der Lage, haben daran kein Interesse: Mit ihren ständigen und sich teilweise widersprechenden Anti-Positionen sind sie vielmehr auf Zerstörung von Gesellschaft und gesellschaftlichem Zusammenhalt bis hin zur Zerstörung von Menschen ausgerichtet.

Wir lehnen Verschwörungsideologien ab. Wir wehren uns gegen die Abwertung demokratischer Begriffe und Werte und die populistische Übernahme von ethischen Kategorien wie Freiheit, Gerechtigkeit oder Selbstbestimmung. Verschwörungsideologien sind unvereinbar mit unseren Grundwerten Vielfalt, Offenheit und Toleranz, der Idee der Parität und unserem Verständnis von Sozialer Arbeit als Menschenrechtsprofession.

1. Verschwörungsideologien gefährden unsere Demokratie und gesellschaftlichen Dialog.

Verschwörungsideologien diffamieren und delegitimieren unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, stellen sie in Frage oder leugnen sie. An einer öffentlichen Debatte und dem Herstellen gesellschaftlichen Konsens durch demokratischen Dialog sind Verschwörungsideologien nicht interessiert. Verschwörungsideologien erschaffen Parallelwelten, eigene Realitäten und Blasen der Desinformation. Einer Verständigung durch sachlichen, faktenbasierten und konstruktiven Dialog wird damit jegliche Basis entzogen.

Wir stehen ein für eine demokratische Kultur in der Gesellschaft, aber auch innerhalb unserer Mitgliedsorganisationen und Einrichtungen. Miteinander um Entscheidungen ringen, kontroverse Meinungen und Argumente austauschen, politisches Handeln kritisch hinterfragen – das geht am besten in unserer freiheitlichen Demokratie. Zu unserem Selbstverständnis gehört deshalb die Verteidigung und Stärkung einer demokratischen und engagierten Zivilgesellschaft in Bayern.

2. Verschwörungsideologien verhindern Problemlösungen und gesellschaftlichen Wandel.

Verschwörungsideologien leugnen und relativieren Realität. Mit ihren einfachen Weltbildern und ihrem Schwarz-Weiß-Denken wollen und können sie die komplexen gesellschaftlichen Fragen und globalen Herausforderungen unserer Zeit nicht beantworten. Verschwörungsideologien sind rückwärtsgewandt und verhindern notwendigen gesellschaftlichen Wandel.

Wir wollen Gegenwart und Zukunft unseres Sozialstaats gestalten. Zum Beispiel, indem wir für einen sozial-ökologischen Aufbruch eintreten. Dazu beteiligen wir uns an der politischen Willensbildung und stoßen gesellschaftliche Debatten an.

3. Verschwörungsideologien sind menschenfeindlich und diskriminierend.

Verschwörungsideologien machen Einzelpersonen und soziale Gruppen verantwortlich für gesellschaftliche Probleme. Um Hass, Hetze und die systematische Abwertung der zu „Sündenböcken“ erklärten Menschen und Personengruppen zu legitimieren, bedienen sich Verschwörungsideologien zum Teil jahrhundertealter Vorurteile und Feindbilder. Verschwörungsideologien radikalisieren Menschen und bereiten sie damit auf radikale Ideologien vor.

Wir verstehen uns als Verband der Vielfalt, Toleranz und Offenheit für alle Menschen, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sozialer oder ethnischer Herkunft, Alter, Religion oder Weltanschauung, sexueller Identität, materieller Situation, Behinderung, Beeinträchtigung oder Krankheit. Wir lehnen die Instrumentalisierung von Menschen oder sozialen Gruppen als „Sündenböcke“ sowie Hass und Hetze gegen Menschen strikt ab.

4. Verschwörungsideologien sind Nährboden für Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus.

Verschwörungsideologien legitimieren die Diskriminierung und Ausgrenzung von sozialen Gruppen und Ideologien der Ungleichwertigkeit von Menschen. Vielen Narrativen liegen rechtsextremistische, antisemitische oder rassistische Einstellungen zugrunde. Andere, vermeintlich unpolitische Narrative, schlagen durch ähnliche Methoden der Erzählung wie Verkürzung, Unterstellung böser Absichten, Abwertung anderer und Selbstverharmlosung die Brücke nach Rechts. Verschwörungsideologien sind Einfallstor für rechtes Gedankengut und die Instrumentalisierung durch rechte Kräfte.

Wir haben uns 2014 mit der „Charta gegen Rechts“ klar und deutlich gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus positioniert. Unser Verband ist kein Ort für menschenverachtende, demokratie- oder fremdenfeindliche Einstellungen: Jeder Mensch ist wertvoll, jeder Mensch ist gleich viel wert.

5. Verschwörungsideologien gefährden Menschen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Menschen, die an Verschwörungsideologien glauben, gefährden durch ihr Verhalten nicht nur sich selbst. Sie gefährden auch ihre Mitmenschen. Zum Beispiel, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse geleugnet oder Maßnahmen zum Schutz anderen Menschen verweigert werden. Die Verteidigung und Erhaltung des eigenen, in sich geschlossenen Weltbilds geht oft mit einer Radikalisierung und erhöhten Gewaltbereitschaft gegenüber anderen Menschen einher.

Wir stehen für eine Gesellschaft, in der Menschen füreinander einstehen, solidarisch miteinander sind und Andere nicht aufgrund eigener Interessen gefährden. Den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Weltanschauung und Interessen lehnen wir ab. 

6. Verschwörungsideologien instrumentalisieren Ängste.

Verschwörungsideologien leben von den Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten von Menschen. Gefühle von Machtlosigkeit, Kontrollverlust und diffuser Bedrohung sind nicht nur Motor und Nährboden von Verschwörungsideologien, sondern auch ihr Ergebnis: Verschwörungsideologien halten ihre Anhänger*innen im Narrativ der eigenen Ohnmacht gefangen.

Wir setzen uns dafür ein, dass jeder Mensch ein selbstbestimmtes Leben führen und sein Potential entfalten kann. Wir wollen Menschen ermutigen und befähigen, ihr Leben eigenständig und aktiv zu gestalten. Ideologien und Narrative, die Menschen von sich abhängig machen wollen und die Ängste von Menschen instrumentalisieren, lehnen wir ab.

Unser Verband ist kein Ort für die Verbreitung von Verschwörungsideologien und Desinformation. Wir lassen Verschwörungsideologien und demokratiefeindliche Aussagen nicht unwidersprochen und distanzieren uns klar und deutlich. Dystopischen Verschwörungsideologien setzen wir unsere Vision einer offenen, toleranten und vielfältigen Gesellschaft, in der Menschen füreinander einstehen und in der jeder Mensch gleich viel wert ist, entgegen. Wir gestalten Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft konstruktiv und im demokratischen Dialog mit.

München, September 2022


Das Positionspapier entstand im Rahmen des Projekts "Demokratie stärken - Sozialen Folgen der Corona-Pandemie begegnen und gesellschaftliche Spannung überwinden".

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Kein Platz für Verschwörungsideologien und Desinformation

Vielfalt, Offenheit und Toleranz schützen