München, 30.09.25 – Die Bundesregierung plant, das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) von 15 auf 20 Euro pro antragsberechtigter Person zu erhöhen, um Kinderarmut entgegen zu wirken und Chancengerechtigkeit zu stärken. Allerdings ist die Wirksamkeit der Maßnahme zweifelhaft: Leistungen kommen kaum dort an, wo sie eigentlich gebraucht werden – bei den Millionen von Kindern und Jugendlichen aus Familien, die Bürgergeld, Sozialhilfe, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Wohngeld oder Kinderzuschlag erhalten. Denn der Wohnort entscheidet über Teilhabe.
Flickenteppich Bayern
2011 von der Bundesregierung eingeführt, sollte das BuT gewährleisten, dass finanziell benachteiligte Kinder und Jugendliche an Freizeit- und Sportangeboten teilnehmen können, wo ihren Familien dies nicht möglich ist. Doch auch vierzehn Jahre später zeigt sich, dass die Maßnahme bei den meisten jungen Menschen keine Teilhabe ermöglicht. Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben (Teilhabequote) werden in Bayern durchschnittlich nur von 17,2 % der Kinder und Jugendlichen bezogen. Damit liegt Bayern im Vergleich zum Bundesdurchschnitt zwar im oberen Drittel, aber weit abgeschlagen im Vergleich zum führenden Bundesland Schleswig-Holstein mit 61,8 %. Die Teilhabequoten in Bayern haben sich im Vergleich zu 2016 sogar um über 4 % verschlechtert. Das heißt, das BuT erreicht immer weniger Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 14 Jahren.1
Auf kommunaler Ebene gleicht die Verteilung einem Flickenteppich: Sie differiert je nach Region stark zwischen 0,5 % in Wunsiedel und über 70,7 % in Nürnberg-Stadt. Gerade im ländlichen Raum ist die Teilhabequote niedrig.
Armes, reiches Land
Für Margit Berndl, Vorständin Verbands- und Sozialpolitik beim Paritätischen in Bayern, ist die mangelnde Wirksamkeit des Bildungs- und Teilhabepaket alarmierend: „Gerade ein finanziell starkes Bundesland wie Bayern sollte mehr für benachteiligte Familien tun. Die Chance junger Menschen auf Teilhabe hängt weiter vom Elternhaus und vom Umfang der Angebote in der jeweiligen Kommune ab.“ Denn die Nutzung des Teilhabegeldes sieht bisher vor, dass eine entsprechende Infrastruktur mit Angeboten vor Ort, die Kinder und Jugendliche fördert, vorhanden ist. Doch wo kein Angebot besteht, können die Leistungen nicht realisiert werden.
Neben der Stärkung der finanziellen Möglichkeiten von jungen Menschen aus einkommensschwachen Familien ist daher der Ausbau einer entsprechenden Infrastruktur notwendig. Die Studie des Paritätischen Gesamtverbands schlägt vor, die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe für junge Menschen vor Ort durch Rechtsansprüche auszubauen und abzusichern.
Bürokratieabbau als Teil der Lösung
Ein weiterer Ansatz liege in der Vereinfachung von Prozessen durch eine pauschale und automatische Auszahlung der Teilhabeleistung, so Margit Berndl. „Das BuT in seiner jetztigen Form hat sich nicht bewährt. Leistungen sollten künftig pauschal an Antragsberchtigte ausgezahlt werden – niederschwellig und ohne aufwändige Nachweise. Aber auch das wäre nur ein kleiner Baustein. Denn um Kinderarmut wirklich zu bekämpfen, reicht das Teilhabepaket bei weitem nicht aus.“
Hintergrund
Träger der BuT-Leistungen sind seit 2011 die Kreise und kreisfreien Städte. Die Leistungen für BuT im SGB II können sowohl in den Jobcentern als auch unmittelbar von den kommunalen Trägern, denen diese Aufgabe von einer gemeinsamen Einrichtung übertragen wurde, erbracht werden. Ziel ist es, die Teilhabe von jungen Menschen am Sport- und Vereinsleben, an Freizeiten, an Bildung und Kultur zu fördern, wo es ihren Erziehungsberechtigten finanziell nicht möglich ist. Im Auftrag des BMAS erfolgte 2016 die bislang einzige Gesamtevaluation über die Umsetzung und Nutzung des Pakets. Dabei ist keine transparente Gesamtstatistik über die Nutzung der Leistungen zu erkennen.
[1] Obwohl Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre anspruchsberechtigt sind für die Teilhabeleistung, beschränkt sich die Untersuchung auf die Altersgruppe der 6- bis unter 15-Jährigen aus zwei Gründen. Zum einen werden sehr junge Kinder (unter 6 Jahren) weniger entsprechend förderfähige Angebote vorfinden und Aktivitäten entfalten. Zum anderen differenziert die BA-Statistik in ihren Auswertungen nicht für die Gruppe der bis 18-Jährigen, sondern bildet Altersgruppen von 6 bis unter 15 Jahren sowie von 15 bis 25 Jahren. In der Analyse wird daher die Anwesenheitsgesamtheit der 6- bis unter 15-Jährigen in Bezug gesetzt zur Gesamtgruppe der 6- bis unter 15-Jährigen im SGB-II-Leistungsbezug.
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